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  • Interview mit Ugur Sahin und Özlem Türeci

    Zielgruppe: ab 12 Jahre

    In einem Interview für den 20. Mainzer Wissenschaftsmarkt befragte Prof. Dr. Michael Maskos, Vorsitzender der MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ, die BioNTech Mitgründer Prof. Dr. Ugur Sahin und PD Dr. Özlem Türeci über ihre Leidenschaft für Wissenschaft und Forschung.

    Viel Spaß beim Lesen!

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    Wolltet Ihr schon immer Forscher werden?

    Ugur Sahin: Im Prinzip, ja. Neugierde und Leidenschaft sind seit jeher unser Antrieb. Ich wollte schon immer die Dinge verstehen. Özlem und ich haben das große Glück, dass wir unsere Leidenschaft für Wissenschaft und Forschung zu unserem Beruf machen konnten. Als Forscher können wir die Brücke schlagen zwischen der Wissenschaft auf der einen und der Versorgung von Patienten auf der anderen Seite.

    Wie kamt Ihr zur Medizin / Immunologie?

    Özlem Türeci: Neugierde und Leidenschaft sind kein reiner Selbstzweck. Wissenschaftler stellen Fragen und suchen beharrlich nach Antworten, um Probleme zu ergründen und Lösungen zu finden. Für uns liegt dieser Zweck in der Medizin und den Menschen. Wir wollen mit unserer Forschung die Gesundheit der Menschen verbessern und innovative Therapien direkt zu den Patienten bringen. Das ist unsere Mission – damals als Ärzte sowie heute als Forscher und Unternehmer.

    Wie hat sich Euer Alltag mit dem zunehmenden Erfolg von BioNTech verändert?

    Ugur Sahin: An unserem Alltag hat sich nicht viel verändert – wir treiben weiterhin unsere Produktpipeline voran und arbeiten an der Entwicklung innovativer Arzneien und Therapien. Für unser Unternehmen BioNTech war es allerdings ein Jahr der Transformation. Wir haben uns von einem Forschungsunternehmen zu einem Arzneimittelentwickler und -hersteller etabliert. Diese Metamorphose beschleunigt unsere Forschungsarbeit enorm. Wir haben die Möglichkeit, an mehreren Projekten gleichzeitig zu arbeiten. Dies ist eine Herzensangelegenheit, denn es gibt noch viel, was wir bewirken wollen.

    Gibt es ein Geheimrezept, wie Ihr den Beruf, das Forschen und die Freizeit (Zeit für die Familie) unter einen Hut bekommt?

    Ugur Sahin: Tue das, was du liebst, und liebe das, was du tust. Wir haben das Glück, dass sich unsere persönlichen und beruflichen Interessen zu großen Teilen decken. Wir teilen nicht nur die Leidenschaft für Forschung und Wissenschaft, auch unsere Vision, Menschen zu helfen, verbindet uns. Für uns ist es ein Privileg Forscher zu sein und zu tun, was wir lieben. Auf diese Weise können wir einen Großteil unsers privaten Lebens mit dem Beruflichen verbinden.

    Gibt es ein Leitmotiv in Eurer Unternehmenskultur?

    Özlem Türeci: Unsere Unternehmenskultur ist geprägt von den Werten Innovation, Leidenschaft und Zusammenhalt. Wir arbeiten mit Kollegen aus 60 Nationen. Gemeinsam sind wir mutig genug, neue Wege zu gehen. Dennoch bewahren wir uns stets das notwendige Maß an Demut. Gerade in der Forschung und Entwicklung ist es wichtig, sich einzugestehen, dass eine Entdeckung oder eine Verbesserung noch keine Innovation schafft oder dass eine Idee auf dem Papier möglicherweise gut ist, sich aber in der Praxis nicht bewährt. Mut und Demut sind der Geist der Wissenschaft, den unser Team bei BioNTech im Herzen trägt.

    Was waren Eurer Meinung nach die wesentlichen Erfolgsfaktoren, mit denen Ihr BioNTech bis hierin entwickeln und gestalten konntet?

    Ugur Sahin: Unsere jahrzehntelange Forschung an mRNA-Technologien im Bereich der individualisierten Krebsmedizin hat uns an den Punkt geführt, an dem wir heute stehen. Wir verfügen heute über das Wissen und die Technologie, um innerhalb weniger Wochen maßgeschneiderte mRNA-Impfstoffe entwickeln und herstellen zu können. Im Bereich der Krebsmedizin werden derzeit 15 unserer Produktkandidaten in 18 klinischen Studien getestet. Dies ist unserem hervorragenden Team bei BioNTech zu verdanken sowie großartigen internationalen Forschungspartnern, mit denen wir an verschiedenen Projekten gemeinsam arbeiten.

    Habt Ihr einen Wunsch oder eine Empfehlung an die MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ?

    Özlem Türeci: Die Pandemie hat gezeigt, dass Wissenschaft einen Unterschied machen kann. Innovationen oder sogar Sprunginnovationen – wie beispielsweise die rapide Entwicklung des weltweit ersten mRNA-Impfstoffes – entstehen nicht durch einen Wissenschaftler, sondern durch die Wissenschaftsgemeinschaft und den wissenschaftlichen Austausch. Die Mainzer Wissenschaftsallianz ist eine hervorragende Plattform, um diesen Austausch zu fördern. Ich würde mir wünschen, dass wir Technologien mit hohem Potenzial weiterhin aus dem Herzens Europas, hier in Mainz, zum Wohle der Menschheit entwickeln und in die Welt tragen.

    Welche Prinzipien leiten Eure Arbeit als Wissenschaftlerin und Wissenschaftler?

    Ugur Sahin: Als Wissenschafter leiten uns natürlich Daten und Fakten. In der Entwicklung unserer mRNA-Technologie haben uns jedoch in den letzten Jahren drei Prinzipien als Kompass gedient:

    • Erstens: Ein umfassendes Verständnis des Problems ist die Voraussetzung für eine Lösung.
      Nur wenn wir genug über das Problem wissen, können wir eine geeignete Lösung finden. Oder mit Albert Einsteins Worten: "Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, um die Welt zu retten, würde ich 55 Minuten damit verbringen, das Problem zu definieren, und fünf Minuten damit, die Lösung zu finden." Für unser Team waren Einsteins 55 Minuten zwei Jahrzehnte Forschung und Entwicklung.

    • Zweitens: Lösungen müssen auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer zugeschnitten sein.
      Wir haben die mRNA-Technologie wegen ihrer Eleganz und Einfachheit gewählt. So ist sie nicht nur hoch effektiv, sondern ist zugleich schnell produzierbar und anpassbar – Eigenschaften, die in der Krebsmedizin Leben retten können und sich nun im Rahmen einer Pandemie bewährt haben.

    • Drittens: Wissenschaftlicher Austausch und Kollaboration ebnen den Weg für Innovationen – das hat insbesondere das vergangene Jahr gezeigt.
      Die Zusammenarbeit innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist für uns ungemein wertvoll. Wir wollen unsere Erfahrung mit wissenschaftlichen Talenten teilen und an künftige Forschergenerationen weitergeben. Ich selbst betreue die Arbeit mehrerer Doktoranden an der Universität Mainz und freue mich, dass ich auf diesem Weg innovative Ideen junger Wissenschaftler sowie spannende Forschungsvorhaben unterstützen kann.

    Wie können auch in Zukunft bahnbrechende Innovationen in der Wissenschaft gelingen?

    Özlem Türeci: Disruptive Innovationen erblicken das Licht der Welt nur im richtigen Umfeld. Die Pandemie hat gezeigt, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen: Wissenschaft, Unternehmen, Behörden und Regierungen. Uns muss bewusst werden, dass wir globale Probleme nur gemeinsam anpacken können. Das gilt für Krankheiten genauso wie z. B. für die Erderwärmung oder eine nachhaltige Mobilität. Es braucht die Zusammenarbeit des privaten Sektors mit dem öffentlichen Sektor.  

    Was würdet Ihr jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Anfang ihrer Karriere raten?

    Özlem Türeci: Fragt euch offen: Warum möchte ich Wissenschaft machen? Ist es tatsächlich das, wofür ich tiefe Leidenschaft empfinde? Bin ich jemand, der gerne Fragen stellt und beharrlich Antworten sucht? Leidenschaft ist der Antrieb, Neugierde ist der Weg zu Erkenntnis und die persönliche Vision ist der Leuchtturm, der uns Orientierung gibt – wer aus eigener Überzeugung dies zu seinem Lebensinhalt machen möchte, der ist als junger Wissenschaftler gut beraten.

 

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