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Mainzer Wissenschaftler legen Grundstein zur innovativen Behandlung der Multiplen Sklerose

Hemmung der Proteinkinase CK2 verhindert Entstehung autoaggressiver T-Zellen

Wissenschaftler des Forschungszentrums für Immuntherapie (FZI) und des Forschungszentrums für Translationale Neurowissenschaften (FTN) der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz haben bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen einen neuen Mechanismus identifiziert. Dieser kann als Grundlage zur Entwicklung innovativer Therapien beispielsweise für die Multiple Sklerose (MS) dienen. Die Wissenschaftler um Univ.-Prof. Dr. Tobias Bopp, Gruppenleiter am Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz, und Univ.-Prof. Dr. Frauke Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz, konnten zeigen, dass man die Entstehung und Funktion von regulatorischen T-Zellen, sogenannten Tregs, und T-Helferzellen des Typs 17 durch Inhibition der Proteinkinase CK2 (CK2) beeinflussen kann. TH17-Zellen scheinen bei vielen Autoimmunerkrankungen eine verheerende Rolle zu spielen. Ob eine Autoimmunerkrankung entsteht oder sich verhindern lässt, hängt unter anderem mit dem Gleichgewicht dieser beiden Zelltypen zusammen. Daher strebten die Forscher ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Tregs an. Dies gelang ihnen, indem sie durch Blockade der CK2 die Entwicklung der autoaggressiven TH17-Zellen hemmten und gleichzeitig die Entstehung von Tregs förderten. In vorklinischen Modellen konnte bereits die Wirksamkeit dieser Therapie eindrucksvoll bestätigt werden. Die Ergebnisse der Mainzer Studie „Protein kinase CK2 governs the molecular decision between encephalitogenic TH17 cell and Treg cell development" sind jüngst online in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences, USA (PNAS), erschienen.

Das menschliche Immunsystem ist äußerst effizient darin, potentiell gesundheitsschädigende Eindringlinge zu erkennen. Eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, die sogenannten T-Zellen, identifizieren eindringende Krankheitserreger durch deren Fremdproteine und orchestrieren normalerweise eine qualitativ und quantitativ angemessene Abwehrreaktion. Diese neutralisiert die körperfremden Substanzen zielgerichtet und entsorgt sie. In seltenen Fällen kann eine solche Abwehrreaktion jedoch auch zu überschießenden Immunantworten führen. Um genau solche übersteigerten Immunreaktionen zu verhindern, haben sich im Laufe der Evolution regulatorische T-Zellen, sogenannte Tregs, entwickelt.

In gesunden Individuen dienen Tregs dazu, die immunologische Toleranz aufrechtzuerhalten. Sie schützen harmlose Antigene, beispielsweise in Nahrungsmitteln enthaltene fremde Eiweißmoleküle, die eine Abwehrreaktion des Immunsystems auslösen können, sowie körpereigene Strukturen vor fehlgeleiteten Immunantworten. Damit verhindern sie auch die Entstehung von Allergien und Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise die Multiple Sklerose (MS).

An der Entstehung und Progression der MS ist insbesondere eine Subpopulation der T-Helferzellen, sogenannte Interleukin-(IL-)17-produzierende TH17-Zellen beteiligt. Im gesunden Individuum sind diese TH17 Zellen für die Kontrolle von Bakterien und Pilzen verantwortlich. Sie verfügen aber auch über negatives, autoaggressives Wirkungspotential: Th17-Zellen spielen bei entzündungsfördernden Vorgängen und damit auch vielen Autoimmunerkrankungen eine oft verheerende Rolle.

Die Untersuchungen der Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz ergaben nun nicht nur, dass das Verhältnis von Tregs und TH17-Zellen entscheidend dazu beiträgt, ob eine Autoimmunerkrankung entsteht oder nicht, sondern vielmehr, dass sich ein Gleichgewicht der beiden Zelltypen zu Gunsten der Tregs mittels pharmakologischer Inhibition der CK2 regulieren lässt.

Proteinkinasen stellen die zweitgrößte Proteinfamilie in höheren Zellen dar. Sie modifizieren andere Proteine und verändern so die biologischen Eigenschaften dieser Proteine. Dem Team gelang es nun nachzuweisen, dass die Inhibition, d.h. Hemmung, der Proteinkinase CK2 genau die Signalwege blockiert, die notwendig sind, damit eine TH17-Zelle entstehen kann. Auf molekularer Ebene führt die Inhibition der Proteinkinase CK2 zu einer Hemmung der Signalwege, die durch die Cytokine Interleukin-6, Interleukin-21 und Interleukin-23 vermittelt werden und die Genexpression durch den Transkriptionsfaktor STAT3 regulieren. Dies führt schließlich dazu, dass ein weiterer Transkriptionsfaktor, genannt Forkhead-Box-Protein P3 (FOXP3), zur Expression gelangt, der wiederum durch Regulation von Genen die Entwicklung und Funktion von Tregs steuert. Somit werden die eigentlich zur Autoimmunerkrankung beitragenden autoaggressiven TH17-Zellen „umprogrammiert“ in Zellen, welche die körpereigenen Strukturen schützen und Autoimmunerkrankungen verhindern können.

Die hier vorgestellten Studienergebnisse sind im Rahmen des interdisziplinären Sonderforschungsbereichs/Transregio 128 „Initiierungs-/Effektor- und Regulationsmechanismen bei Multipler Sklerose – von einem neuen Verständnis der Pathogenese zur Therapie“ entstanden. Der Transregio SFB 128 wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und von Univ.-Prof. Dr. Frauke Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz, am Standort Mainz koordiniert.

Die Multiple Sklerose ist die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems. Allein in Deutschland sind mehr als 200.000 Menschen von dieser Autoimmunerkrankung betroffen. Bei der Erkrankung wird die schützende Hülle (Myelinschicht), mit der die Nervenfasern im Gehirn und im Rückenmark ummantelt sind, geschädigt, so dass Erregungssignale nicht mehr weitergeleitet werden. Ebenso werden die Nervenfasern selbst geschädigt. Die Folgen reichen beispielsweise von Gehbehinderungen über Taubheitsempfindungen bis hin zu Sehstörungen.

Weitere Informationen zur Studie:

<link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Proc Natl Acad Sci U S A. 2016 Aug 23. pii: 201523869. [Epub ahead of print] Protein kinase CK2 governs the molecular decision between encephalitogenic TH17 cell and Treg cell development; <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Ulges A1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Witsch EJ2, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Pramanik G2, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Klein M1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Birkner K2, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Bühler U2, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Wasser B2, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Luessi F2, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Stergiou N1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Dietzen S1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Brühl TJ1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Bohn T1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Bündgen G1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Kunz H3, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Waisman A4, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Schild H1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Schmitt E1, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Zipp F2, <link http: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed _blank>Bopp T5; DOI: <link http: www.pnas.org lookup suppl doi:10.1073 pnas.1523869113 dcsupplemental _blank>10.1073/pnas.1523869113 
www.pnas.org/lookup/suppl/doi:10.1073/pnas.1523869113/-/DCSupplemental.

Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Tobias Bopp,
Forschungszentrum für Immuntherapie (FZI) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Telefon 06131  17-6175, Fax 06131  17-6202,
E-Mail: <link>boppt@uni-mainz.de

Pressekontakt
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Stabsstelle Kommunikation und Presse Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131  17-7428, Fax 06131  17-3496,
E-Mail:  <link>pr@unimedizin-mainz.de

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter <link http: www.unimedizin-mainz.de _blank>www.unimedizin-mainz.de

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